Hallo Sina! Odysseus ist ein Stück, dessen Text und Umsetzung ihr über mehrere Monate im Team erarbeitet habt. Was reizt dich, einen so umfangreichen Stoff für junge Menschen ab 10 Jahren zu inszenieren?
Mich hat zuallererst die Geschichte der Abenteuerreise an sich, also die Reise ins Ungewisse, gereizt. Und natürlich die Begegnungen mit den wunderlichen Wesen, die Odysseus auf seiner Reise hat. Also sei es mit Polyphem, dem Zyklopen oder Circe, die die Begleiter des Odysseus in Schweine verwandelt. Außerdem halte ich Odysseus’ Geschichte, aufgrund eben jenes schon erwähnten abenteuerlichen Aspektes, als Einstieg in die antike griechische Literatur für sehr geeignet.
Odysseus erlebt auf seiner Reise so einige Abenteuer. Für die Inszenierung hast du dich aber auf einige bestimmte festgelegt. Wie hast du diese Auswahl getroffen?
Entscheidend waren für mich die Teile der Geschichte, die mir selbst aus meiner Kindheit gut in Erinnerung geblieben sind, die Eindruck hinterlassen haben, z.B. die Höhle des Zyklopen Polyphem, wohl die bekannteste Station von Odysseus’ Reise. Und natürlich war die Dramaturgie der Geschichte der beiden Freunde Elpenor und Odysseus, auch ausschlaggebend. Damit die Geschichte der beiden eine Entwicklung, einen eigenen Konflikt hat.
Es gab im Vorfeld keine feststehende Textfassung, sondern ihr habt den Text direkt bei den Proben entwickelt. Warum hast du dich dazu entschieden und wie seid ihr bei der Textentwicklung vorgegangen?
Ich wollte, dass die Figuren umgangssprachlich miteinander sprechen, in einer heutigen Sprache. Das war für mich auch besser mit dem Konzept des modernen Roadtrips vereinbar. Zudem haben wir eine Freundschaftsgeschichte dazuerfunden, die es so im Original gar nicht gibt. Erarbeitet haben wir uns den Text, in dem wir uns spielerisch in die Situation der jeweiligen Szene begeben haben. Den durch die Improvisation entstandenen Text, haben wir immer wieder überprüft, umgeschrieben und Hand in Hand mit der Figuren- und Szenenentwicklung abgeglichen.
Eine weitere Besonderheit ist, dass Odysseus als Theaterfilm inszeniert wurde. Das heißt, die Szenen wurden zwar auf der Bühne oder im Zuschauerraum gespielt, dabei aber bewusst für die Kamera in Szene gesetzt und gefilmt. In der Postproduktion wird das Material dann geschnitten und mit Animationen erweitert. Welche Chancen siehst du in einer solchen Arbeit?
Ich denke, dass sich dort neue Räume und Möglichkeiten für das Theater öffnen können. Das bedeutet für mich nicht, dass das analoge Theater nicht mehr gebraucht wird, aber ich finde, das Theater sollte mit den neuen Medien, die jetzt zum Teil auch nicht mehr unbedingt neu sind, forschen und experimentieren und das eben auch über die Bühne, über den Theaterraum hinaus.
Obwohl das Produkt, das das Publikum zu sehen bekommt, ein Film ist, erkennt man auch immer wieder den theatralen Kontext. Bühnen- oder Zuschauerraum werden nicht versteckt und einige theatrale Mittel bewusst offengelegt. Welchen Reiz hat eine solche Ästhetik für dich? Welchen Effekt hat eine Offenlegung der theatralen Mittel?
Also für mich war es hier unter anderem ein Mittel, um diesen Grad zwischen dem Theater und dem Film nochmal klar zu zeichnen. Der Film kann Realismus abbilden, das Theater nicht. Und es war daher auch für mich einfach ein Versuch hier nochmal ganz klar das Theater als künstlichen Raum darzustellen und nicht zu ignorieren, sondern damit umzugehen. Unter anderem auch so, dass die Schauspieler*innen mit der Technik interagieren.
Aufgrund eines aktuell breiten Angebotes an Theater-Streams, wird die Frage, ob digitale Angebote das analoge Theater verdrängen oder ersetzen, einmal mehr heiß diskutiert. Wie stehst du dazu?
Ich glaube nicht, dass das digitale Theater das analoge ersetzen kann oder bzw wird. Das Erlebnis eines echten Theaterbesuches beinhaltet so viele Eindrücke, welche das digitale Theater in dieser Weise nicht bieten kann.
Kannst du dir vorstellen, noch einmal einen Theaterfilm zu inszenieren?
Auf jeden Fall. Mich interessiert hierbei gerade sehr die Möglichkeit mit dem Publikum zu interagieren. Bzw. wie man damit in einer Inszenierung umgehen kann.
Vielen Dank für das Interview!